Motorradgeschichten

Stuttgarter WOCHENBLATT vom 9.6.2010

UT
UNTERTÜRKHEIM - Oldtimer- und Motorrad-Fans kennen dieses Zeichen, das für ein Stück Untertürkheimer Ortsgeschichte steht. Auch wenn die UT-Motorräder nur recht kurze Zeit im Stadtteil selbst hergestellt wurden, stand doch hier ihre Wiege - in einer kleinen Werkstatt Im Häldle, deren äußere Hülle noch immer an Ort und Stelle besteht. Hier arbeitete in den 1920er Jahren der Konstrukteur und UT-Erfinder Hermann Scheihing. Der Bürgerverein nimmt seinen 120. Geburtstag am kommenden Dienstag zum Anlass, um am Ort seines Wirkens zu feiern und eine Gedenktafel zu enthüllen.

Die Motorradfabrik in der Garage

Scheihing

Am Dienstag, 15. Juni jährt sich zum 120. Mal der Geburtstag des Untertürkheimers Hermann Scheihing. Und genau 85 Jahre ist es her, dass dessen erste UT-Motorräder gebaut wurden. Der Bürgerverein Untertürkheim hat also doppelten Grund, an den begabten Konstrukteur zu erinnern. Er enthüllt an seinem Geburtstag eine Gedenktafel am Haus "Im Häldle 9", neben dem Scheihing seine Garagenwerkstatt hatte. Vorher findet ein informativer Ortsrundgang statt, danach können interessierte Bürger Preise gewinnen.

UNTERTÜRKHEIM/VAIHINGEN/MÖHRINGEN-
Stuttgarter WOCHENBLATT vom 9.6.2010

Die kleine Werkstatt neben dem Wohnhaus, in der Hermann Scheihing ein Stück Motorradgeschichte schrieb, steht noch heute. Der Konstrukteur war bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft beschäftigt gewesen, bevor er sich 1922 selbständig machte. Er produzierte mechanische Teile und entwickelte Motorräder, deren Namenskürzel "UT" sich von Unter-Türkheim ableitet. Scheihings Maschinen hatten 200 Kubikzentimeter Hubraum, durften folglich gerade noch ohne Führerschein gefahren werden und waren steuerfrei. Das trug wohl ebenso zu ihrem Erfolg bei wie die immer wieder gelobte Zuverlässigkeit und der Fahrkomfort dank stabilem Fahrwerk mit tiefem Schwerpunkt. Auch eine Rennmaschine mit 250 ccm Viertakt-JAP-Motor hatte er 1925 schon entwickelt, die bei den Stuttgarter Solitude-Rennen erfolgreich war.

So wurde die Werkstatt Im Häldle schnell zu klein, 1927 übergab er seine Motorrad-Produktion schweren Herzens an die Maschinenfabrik Bergmüller & Co. nach Vaihingen auf den Fildern. 1934 übernahmen die Industriellen Schwenk und Schnürle das Werk und fertigten bis 1962 in Möhringen UT-Motorräder weiter, dann wurde die Konkurrenz der Autos und der japanischen Maschinen zu groß.

Im Jahr 2000 hat im Rahmen der 800-Jahr-Feier von Untertürkheim das erste UT-Motorradtreffen stattgefunden. Fast 50 Liebhaber der alten Maschinen aus dem In- und Ausland trafen sich unter der Regie des Automobil- und Motorrad-Club Stuttgart-Untertürkheim und brachten ihre motorisierten Schätze mit. Ein zweites Treffen fand im Jahr 2005 in der Widdersteinstraße statt und dieses Jahr im Herbst wird am 4. und 5. September das dritte internationale UT-Markentreffen stattfinden, allerdings in Tübingen im dortigen Auto- und Spielzeugmuseum Boxenstop.

Damit auch die Untertürkheimer an Hermann Scheihing erinnert werden, wird der Bürgerverein aktiv. Am Dienstag, 15. Juni lädt er zu einem Ortsrundgang ein, Start ist um 16.30 Uhr vor der Gaststätte Luginsland. Der Weg führt bis zur Adresse "Im Häldle 9", wo um 18 Uhr einiges über die UT und ihren Konstrukteur zu erfahren ist. Anschließend wird eine Wandtafel zum 120. Geburtstag des UT-Markengründers enthüllt. Ein Original-UT-Motorrad von 1926, im Besitz von Günter Wolf, wird vor Ort sein und darf nicht nur bewundert, sondern auch zum Probesitzen mit Foto genutzt werden. Außerdem verlost der Bürgerverein drei Preise: Es gibt eine DVD zur Ortsgeschichte, ein Untertürkheimer Heimatbuch und das Büchlein "Historische Postkarten aus Untertürkheim und Rotenberg" zu gewinnen. An der Verlosung teilnehmen kann, wer am Dienstag, 15. Juni bis 18.30 Uhr beim Treffpunkt vor dem Haus "Im Häldle 9" eine der ausliegenden Teilnahmekarten ausgefüllt und in die Lostrommel geworfen hat.     kaa - 09.06.2010

UTUT
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UTSchild
Fotos: Enslin

Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten vom 10.6.2010

Legendäre Motorräder im Hinterhof entworfen

Untertürkheim
Hermann Scheihing hat "Im Häldle" Zweiräder gebaut. Der Bürgerverein erinnert daran.
Von Claudia Leihenseder  

Unscheinbar wie jede ältere Garage steht das kleine alte Gebäude im Hinterhof des Hauses Im Häldle 9 da. Hinter den weißen Türen verbergen sich Fahrräder und ein Boot; kein Hinweis, um welch legendären Ort es sich handelt Das möchte der Bürgerverein Untertürkheim am kommenden Dienstag ändern und eine Gedenktafel anbringen. Denn genau in diesem Gebäude hat der Konstrukteur Hermann Scheihing 1925 und 1926 mit seiner Mannschaft seine selbst entworfenen Motorräder gebaut.

Der am 15. Juni 1890 geborene Untertürkheimer hatte zunächst bei Daimler gearbeitet, bevor er sich mit einer kleinen Werkstatt 1922 selbstständig machte. Er fertigte mechanische Kleinteile und Feuerzeuge. Doch als leidenschaftlicher Motorradfahrer ließen ihn die Zweiräder nicht los, bis er sein eigenes Motorrad mit eigenem Motor entworfen hatte. Seine Kreation nannte er schlicht UT, nach seinem Stadtteil Untertürkheim. Scheihing baute zunächst eine 200-ccm-Maschine, einen Zweitakter mit liegendem Motor. Bald erweiterte er seine Produktion um eine 250-ccm-Version. Mit seiner kleinen Serienproduktion hatte er Erfolg. Eine seiner Maschinen erreichte beim Solitude-Rennen 1926 einen vierten Platz. Die Nachfrage nach den UT-Motorrädern stieg so stark, dass dem Konstrukteur im Hinterhof der Platz ausging. "Wegen der Inflation bekam Scheihing keine Kredite", erzählt Klaus Enslin vom Bürgerverein. So übernahm die Firma Bergmüller & Co in Vaihingen auf den Fildern die Produktion. Eine Zeit lang arbeitete der Erfinder noch als technischer Berater, bis er 1934 im Alter von nur 44 Jahren starb. Seine UT lebte noch lange weiter: 1931 übernahmen zwei ehemalige Bergmüller-Mitarbeiter die Produktion unter dem Namen Schwenk & Schnürle. In Möhringen wurden die Motorräder bis 1962 gebaut.

Fans hat die UT heute noch. Zur 800-Jahr-Feier von Untertürkheim vor zehn Jahren gab es das erste internationale Treffen. Mehr als 40 UT-Maschinen waren damals in der Widdersteinstraße zu sehen. 2005 trafen sich der Bürgerverein und die Motorrad-Enthusiasten erneut, dieses Mal zur Feier der Eingemeindung Untertürkheims vor 100 Jahren. Da 2010 in Untertürkheim kein größeres Fest geplant war, hat der Bürgerverein nun eine kleine Feier zum Gedenken vorbereitet.

Am Dienstag, 15. Juni, dem 120. Geburtstag von Hermann Scheihing, beginnt das Fest mit einem Ortsrundgang durch Luginsland. Treffpunkt ist um 16.30 Uhr vor der Gaststätte Luginsland an der Fellbacher Straße. Um 18 Uhr wird am Haus Im Häldle 9 eine Gedenktafel enthüllt. Dazu gibt es Sekt, eine kleine Verlosung und Plakate mit alten Aufnahmen. Zudem wird ein Original-UT-Motorrad von 1926 da sein, auf dem sogar probegesessen werden darf.

Weitere Informationen gibt es unter www.bv-untertuerkheim.de

Untertürkheimer Zeitung vom 17.6.2010

Ein großer Untertürkheimer

Gedenktafel für Hermann Scheihing, Konstrukteur der legendären „UT“-Motorräder

Luginsland: (pas) – Am Dienstag hätte der Untertürkheimer Motorradkonstrukteur Hermann Scheihing seinen 120. Geburtstag gefeiert. Mit der Enthüllung einer Gedenktafel ehrte ihn der Bürgerverein Untertürkheim und viele Zweiradfans an seinem Schaffensort Im Häldle 9 in Luginsland.

Hermann Scheihing wurde am 15. Juni 1890 geboren. Anfang der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts gründete er die Motorradmarke „UT“. Motorräder der Marke „UT“ nahmen bald darauf erfolgreich an Rennen wie etwa auf der Solitude teil. Die Motorräder mit viereinhalb bis fünfeinhalb Pferdestärken waren aber nicht nur auf den Rennstrecken gern gesehen. Auch in der Bevölkerung waren sie beliebt, weil man für sie keinen Führerschein benötigte und sie steuerfrei betreiben durfte.

Scheihing hatte zunächst bei der „Daimler-Motoren-Gesellschaft“ gearbeitet, fertigte dann ab 1922 in seiner eigenen Werkstatt vorerst Bauteile für die stetig wachsende Automobilindustrie in der Region an. Bald wollte er aber selbst schöpferisch tätig werden. Da er begeisterter Motorradfahrer war, entschied er sich eine eigene Motorradmarke zu gründen. Die Firma „UT Motoren- und Fahrzeugbau“ wurde geboren. Die Fertigung seiner Motorräder organisierte er anfangs in der kleinen Werkstatt hinter seinem Wohnhaus Im Häldle 9 in Luginsland. Das erste Motorrad wurde dort 1925 fertiggestellt.

Schon bald darauf musste er sein Unternehmen aber aufgrund der wirtschaftlich schlechten Lage an die „Maschinenfabrik Bergmüller & Co.“ verkaufen, die den Betrieb wiederum an zwei Mitarbeiter, Hugo Schwenk und Johann Schnürle, weiterveräußerte. Unter der Regie der beiden wurden „UT“-Motorräder noch bis in die 1960er Jahre hinein produziert. Unter Motoradfans sind sie heute noch eine Legende.

Schild Grund genug für den Bürgerverein an den genialen Tüftler zu erinnern. Am Dienstagabend enthüllte Klaus Enslin vom Bürgerverein Untertürkheim am Wohnhaus des Motorradbauers eine Gedenktafel. „Sie soll den Passanten einen großen Untertürkheimer Bürger und sein Schaffen näher bringen“, sagte Enslin in seiner Ansprache. Freunde der Marke und andere Motorradbegeisterte stießen auf den Geburtstag des Konstrukteurs mit dessen Tochter an.

Zwei stolze Besitzer noch fahrtüchtiger „UT“-Motorräder stellten ihre Maschinen zur Schau. Probesitzen und Anfassen waren ausdrücklich erlaubt. Davon machten die Gäste gerne Gebrauch und versetzten sich zurück in eine völlig andere Zeit. Mit den nostalgischen Lederhandschuhen und der originalen Lederkappe, die mit heutigen Sicherheitsstandards wohl kaum mithalten kann, wurde das Flair der 1920er abgerundet. „UT“-Freunde sind zum Markentreffen in Tübingen am 4. und 5. September im „Boxenstopp Auto- und Spielzeugmuseum“ eingeladen.