Untertürkheimer Heimatbuch 1935
Von Johannes Keinath
Dorfleben - Gemeinschaftsleben
Viel nachbarliche Anteilnahme und Sippenverbundenheit treten in vergangener
Zeit im Dorfleben Alt=Untertürkheims zutage. Sie begleiten den
Menschen von der Wiege bis zur Bahre.
Die Taufe
Nicht der Storch brachte die kleinen Kinder, sondern die "Kindlesbase" holte
sie am "Kindlesbrunnen", dem "Häglesbrunnen" auf der "Heid" hoch
oben über dem "Wolfelesbach", der den Röhrenbrunnen beim
Rathaus speiste und von dem es hieß, daß er das beste Wasser
liefere von allen Untertürkheimer Brunnen. An dem freudigen Ereignis
der Geburt eines neuen Erdenbürgers nahm die ganze Nachbarschaft
und Verwandtschaft Anteil. Die Hauptsorge galt aber zunächst der
Wöchnerin, denn wie oft kam es vor, daß sie die Geburt des
Kindes mit dem Leben bezahlte! Man beeilte sich, sie wieder zu Kräften
zu bringen, ein Bestreben, das auch dem "Wöchner", wie man Scherzhaft
den Ehemann nannte, zugut kam. Die Sitte schrieb eine bestimmte Speisefolge
vor. Nach drei Tagen erhielt die Wöchnerin beim ersten Besuch
der Taufpatin oder der den Mann vertretenden Frau des Taufpaten eine
Suppe aus Backofenschnitten und das zugehörige Stück Rindfleisch,
nach fünf bis sechs Tagen einen Kalbsbraten, beim dritten Besuch
ein Weinessen, bestehend aus Weinsoße und Kaiserkuchen, beim
vierten Besuch einen Gugelhopf oder Hefenkranz.
Solche Besuche waren besonders von den Gevatterleuten verlangt. Deshalb
galt der Spruch: "Hauzichgao ond Gvatterstao isch e Ehr ond macht de
Beitel leer." Bei der Wahl der Paten oder Gevatterleute ging man gewöhnlich
nicht über den Kreis der Verwandtschaft hinaus. Es waren in der
Regel damals schon bloß zwei Paten, einer von der Vater=, einer
von der Mutterseite, der Döte und die Dote. Bei der Namengebung
hielt man sich oft an den Namen des Paten bzw. der Patin. Doch bestand
in dieser Beziehung keine feste Sitte.
Die Taufe wurde, von Nottaufen abgesehen, fast ausschließlich
in der Kirche vorgenommen. Noch war das Bewußtsein lebendig,
daß das Kind nicht der Familie allein gehört, sondern daß auch
andere, größere Lebenskreise Anspruch darauf haben. Das "Pätschekisse" oder
Taufkessen, in dem der Täufling zur Kirche getragen wurde, war
mit bunten, meist grünen seidenen Bändern geschmückt,
die kreuz und quer über das Kissen gezogen waren. Auch auf ein
feines Häubchen wurde Wert gelegt. Während des Kirchgangs
wurde von Altersgenossen des Vaters die Taufe "angeschossen". Diese
Ehre wurde aber bloß den Knaben zuteil. Die kirchliche Handlung
wurde im Anschluß an den Nachmittagsgottesdienst vorgenommen.
Im Mittelpunkt der häuslichen Nachfeier stand der "Täufekaffee".
Verwandten und Bekannten, die sich um die Wöchnerin bemüht
hatten, wurde, soweit sie nicht zur Taufe eingeladen waren, eine Kanne
Täufekaffee mit dem nötigen Zubehör an Gugelhopf und
Hefenkranz ins Haus geschickt. Besondere Sitten waren mit der häuslichen
Feier nicht mehr verbunden, höchstens daß ein Weingärtner
seinem jungen Sohn am Tauftag einen Löffel Wein eingab. Schon
in frühesten Tagen sollte er mit der köstlichsten Gabe des
Bodens bekannt werden.
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