Untertürkheime Zeitug vom 14.2.2009
„Hätten wir doch die Erzählung unserer
Eltern aufgenommen“, denken
sich viele Kinder. Zwei Rotenberger
Originale haben’s getan. Heinz
Berner und Robert Bubeck trugen
Erinnerungen aus ihrer Jugendzeit
vor. Lausbuben-Geschichten, Bewegendes
aus Kriegszeiten, Anekdoten
aus Großvaters Zeiten. Den damals
gedrehten Film bearbeitete der Rotenberger
Tonmeister Tobias von
Brockdorff meisterlich zu einerDVD
– ein Stück authentische und unterhaltsame
Heimatgeschichte.
Von Mathias Kuhn
Mit Begeisterung erinnert sich Heinz
Berner noch an den Nachmittag vor
einigen Jahren, als Robert Bubeck
und er auf Initiative des damaligen
Pfarrers Reinhard Köstlin in der
Turnhalle über die gemeinsame Jugendzeit
berichteten. Was als Veranstaltung
im kleinen Kirchenkreis
gedacht war, entwickelte sich zum
Renner. Selbst im Vorraum saßen
die Zuhörer noch. Keiner wollte die
Erzählungen der beiden Rotenberger
Originale versäumen. Es waren
unterhaltsame und lehrreiche 100
Minuten Zeitgeschichte. „Siegfried
Schlanke vom SDR hat damals einen
Videofilm gedreht, von dem ich
mir nun eine DVD brennen lassen
wollte“, sagt Berner. Aus diesem
Wunsch entsprang ein Generationen
übergreifendes Projekt: Im alten
Milchhäusle von Rotenberg hat
nämlich Tonmeister Tobias von
Brockdorff seit Kurzem ein Tonstudio
eingerichtet. Mit seiner Firma
„Tonschieber“ nimmt er Konzertmitschnitte
auf, für Chöre und
Bands produziert er CDs.
Modernste audiovisuelle Möglichkeiten
stehen dem jungen Ton- und
Medienkünstler zur Verfügung.
„Der Kerle wäre etwas für uns“, beschloss
Berner. Welche Arbeit auf
die beiden Senioren – aber natürlich
auch auf den jungen Produzenten –
wartet, ahnte Berner nicht.
Sechs
Monate Produktionszeit liegt hinter
dem Team, das Wolf-Dieter Klumpp
als Texter komplettiert. „Manchmal
hat er uns ganz schön getriezt“, erinnert
sich Bubeck. Grundlage für
die Rotenberger Dorfchronik war
der Filmmitschnitt vom Vortrag.
Von Brockdorff baute zudem mit
viel Fingerspitzengefühl alte Fotodokumente
ein, bearbeitete sie graphisch
und manchmal mussten
Berner und Bubeck auch nochmals
ran. Manche Sequenzen mussten
die Erzähler nachsynchronisieren.
„Doch die Arbeit hat sich gelohnt
und es hat uns Spaß gemacht“, freuen
sich die beiden Chronisten. Sie
machen Ortsgeschichte auf äußerst
unterhaltsame und unter die Haut
gehende Weise erlebbar. Liebevoll
und knitz erzählt Bubeck von den
kargen Verhältnissen, in der seine
Großeltern aufwuchsen: Auf dem
Bett lag das Paradekissen und unterm
Bett der Nachttopf. Wasserspülung
auf dem WC gab’s erst
1950. Als Toilettenpapier diente
Altpapier.
„Der Homöopathische
Verein hatte eine Blechbadewanne,
die er gegen 50 Pfennig den Familien
lieh“, erinnerte sich Berner an
Tage, als „die Blechwanne durch
den Ort kutschiert wurde“.
Natürlich halfen die Buben auf dem
Feld und beim Mostobst sammeln.
„Mancher hat Most für zwei Jahre
gemacht, aber ihn in einem Jahr getrunken“,
erzählt Bubeck schmunzelnd.
Nicht minder knitz erzählt er
von seinen Lausbuben-Streichen
oder wie der Kronenwirt und Ortsjäger
seinem auf dem Feld arbeitenden
Großvater eine Ladung
Schrot in den Hintern schoss. „Es ist
Nebel gewesen und es hat sich was
bewegt“, entschuldigte sich der Jäger
damals. Bubeck erinnert sich an
die Wirtschaften im Ort, die ersten
Autos und verschweigt auch die Nazi-
Zeit nicht. An die Kriegszeit
knüpft Berner im zweiten Teil an.
Genauso ehrlich und bewegend
schaut der 78-Jährige auf die grauenvolle
Zeit zurück, als die Nazis
das Leben zu überwachen versuchten.
„Blockwarte schnüffelten
nach Braten, die verbotenerweise
sonntags in den Ofen gesteckt wurden,
nachts fielen Bomben.“ Berners
Stimme stockt, als er von der
Flucht in den Bunker erzählt. Im
Saal wird’s ruhig. Die Gänsehaut
weicht jedoch bald einem Lachen,
als er von dem Rotenberger erzählt,
der seine kranke Frau mit einem
Handwägele zum Stollen transportieren
musste. In einer Kurve verlor
er die Kontrolle über den Wagen.
Seine Frau raste geradeaus, er rettete
sich in den Stollen. „Nach dem
Angriff ging er an die Kurve und
rief: ‚Auguste, leb’s no?‘ Sie war unversehrt
und wurde sogar 100 Jahre
alt“, berichtet Berner eine jener Geschichten
schmunzelnd, die die Vergangenheit
lebendig wiedergeben.
Am Dienstag, 17. Februar 2009, um
19 Uhr wird die Dorfchronik mit dem Titel
„Wie’s früher war“ um 19 Uhr im Gemeindehaus
gezeigt. 90 Minuten, die
unterhaltsamer sind als die Mäulesmühle
und interessanter als jede Geschichtslehrstunde
von Guido Knopp.
Der Eintritt ist frei. Gegen eine Spende
für die Gemeindehausrenovierung
bekommt der Gönner als Dankeschön
die von Tobias von Brockdorff liebevoll
aufbereitete DVD.