Von Claudia Leihenseder
Untertürkheim steckt voller Überraschungen. Zwar nicht auf den ersten Blick, doch wer mit offenen Augen und mit einem guten Führer vom Bürgerverein (BV) Untertürkheim durch den Ort läuft, entdeckt viel Interessantes.
Dunkel können sich die meisten an das Faktum aus dem Geschichtsunterricht erinnern, dass 1845 die erste Eisenbahn Württembergs von Cannstatt nach Untertürkheim gefahren ist. "Kurzfristig hatte man sich gegen die Fahrt von Stuttgart nach Cannstatt entschieden, weil die Festgesellschaft im offenen Wagen sonst durch den Rosensteintunnel hätte fahren müssen, wo Wasser aus einem undichten Schlossteich floss", erzählt Klaus Enslin, der zweite BV-Vorsitzende bei einem zweistündigen Rundgang durch Untertürkheim.
Auch von der Ansiedlung von Daimler im Jahr 1903 kann Enslin eine Geschichte erzählen. Eduard Fiechtner, der damalige Schultheiß von Untertürkheim, war 1899 persönlich nach Cannstatt gewandert, um mit Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach selbst zu verhandeln. Der findige Politiker bot den beiden Erfindern ein großes Gewerbegelände und sogar Strom aus dem geplanten ortseigenen Elektrizitätswerk, so dass sich Daimler letztendlich für Untertürkheim entschied - gegen seine Heimatstadt Schorndorf und gegen Fellbach. Reste der ersten Untertürkheimer Tankstelle sind auch noch heute zu sehen: An der Ecke der Augsburger Straße mit der Silvrettastraße ist noch immer ein typisches Vordach zu sehen, unter dem die Tanksäulen früher standen.
Weitere Kuriositäten finden sich an jeder Ecke: Was auffällt beim Studium einer Straßenkarte von Untertürkheim ist, dass alle Straßen im unteren Bereich im rechten Winkel zueinander angelegt sind - bis auf die Schlotterbeckstraße. Wer diese entlangläuft, dem fällt die ungewöhnliche Breite auf. Der Grund dafür ist recht einfach: Dort sollte eine Straßenbahn gebaut werden, die von Untertürkheim über die Schlotterbeckstraße, quer über den Scherrenbuckel unterhalb der Luginslandschule bis nach Luginsland gehen sollte. Doch der Zweite Weltkrieg kam den Stadtplanern dazwischen.
Mehr als 100 Jahre in die Vergangenheit geht Enslin an anderer Stelle, nämlich an der Augsburger Straße 275 auf Höhe des Fußgängerstegs. Dort steht noch immer das alte Fabrikgebäude der Schokolatiers Staengel und Ziller von 1899, deren Anfangsbuchstaben S und Z der Marke Eszet ihren Namen gaben. Die Entstehung kann Klaus Enslin erklären: "Bei der Anlieferung der Rohprodukte wurden der Schnelligkeit halber immer nur die Initialen drauf geschrieben." Die Firma gibt es seit den 70er-Jahren nicht mehr, ihr berühmtestes Produkt, die Eszet-Schnitten, hat überlebt und wird heute von Sarotti vertrieben.
Foto:Enslin
Auch der Eszetsteg vor dem alten Fabrikgebäude lüftet beim Ortsrundgang sein Geheimnis: In seinem Inneren laufen nämlich zwei dicke Rohre der Landeswasserversorgung, weiter entlang der Biklenstraße auf Höhe des Spielplatzes befindet sich sogar ein Notbrunnen für die Wasserversorgung. Ein grasgrüner, leicht gewölbter Kanaldeckel zeugt davon.
Führung Der nächste Ortsrundgang findet am Samstag, 18. September 2010, um 16 Uhr statt. Der Start ist an der Weinpresse am Bahnhof.